Mittwoch, 1. April 2009

Dollars galore

Es war die Zeit unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg als Hollywood einen Film produzierte, der die Menschen ins Kino strömen liess, wo sie für ein paar Stunden ihre Sorgen vergessen konnten. Dabei war das Drehbuch eher tragisch angelegt: ein Frachtschiff, beladen mit 50.000 Fässern, geriet in dem stürmischen Meer um Schottland in Seenot und zerschellte an einer Inselgruppe, die heute unter dem Namen "Äussere Hebriden" bekannt ist. Die Inselbewohner, gewohnt aus derartigen Havarien persönlichen Vorteil zu schlagen, machten sich sofort zur Unglücksstelle auf und bargen einige hundert Fässer auf Verdacht und ohne deren Inhalt zu kennen. Als sich herausstellte, das sie mit bestem Whisky gefüllt waren, kam bei den Insulanern unbändige Freude auf. Sie setzten sich spontan zu einer Saufparty zusammen und aus ihren rauen Kehlen ertönte der Ruf "Whisky galore". Für Nichtkenner der gälischen Sprache: "Whisky in rauen Mengen".

So ähnlich könnte es gewesen sein, als die US-amerikanischen Bankmanager in ihren mahagoniholzgetäfelten Wallstreetbüros zusammen sassen und davon hörten, dass ihnen Präsident Obama ihre derzeit wertlosen Schrottanleihen für sage und schreibe tausend Milliarden Dollars abkaufen wolle. Nur damit sie endlich wieder Kredite an ehrbare Kaufleute vergeben. Die Chefs von Goldman Sachs, Citibank und Bank of Amerika, deren Namen meist nur in Verbindung mit Bonuszahlungen bekannt sind, schlugen sich - diskret, selbstverständlich - auf die Schenkel, liessen aus den Tresoren fünfzig Jahre alten Whisky holen und stöhnten erleichtert: "Dollars galore". Dollars in rauen Mengen!

Die amerikanische Regierung flutet die Märkte derzeit mit frischem Geld, will damit die Wirtschaft wieder in Gang bringen, geht aber gleichzeitig ein hohes Risiko ein. Wird diese Liquidität nicht rechtzeitig wieder aus dem Geldkreislauf entfernt, dann kann durchaus die Gefahr einer Inflation, ja sogar einer Hyper-Inflation drohen. Ähnliche Experimente wurden in den vergangenen Jahrzehnten mit dem russischen Rubel und dem argentinischen Peso angestellt und jedes Mal haben sie zu einer beträchtlichen Aufweichung dieser Landeswährungen geführt. Diesmal ist es der Dollar, die Leitwährung der ganzen Welt, an der herumlaboriert wird.


China grummelt bereits vernehmlich gegen diese Sonderstellung des Dollars und fordert mittelfristig seine Ablösung als Weltleitwährung. Und Chinas Stimme hat Gewicht; immerhin ist dieses Land der grösste Gläubiger der USA. Würde China keine US-Staatsanleihen mehr kaufen, dann wäre Amerika in grösster Not. Auch die Tatsache, dass einige Rohstoffe wie Erdöl, Uran etc. noch traditionell in Dollars bezahlt werden - also diese Währung stützen, indem sie eine Nachfrage schaffen - würden die USA langfristig nicht aus der Patsche helfen.


In Deutschland gibt es noch keine Anzeichen für steigende Preise. Im Gegenteil, die Teuerungsrate kann im Sommer sogar negativ werden. Um einer Deflation vorzubeugen, könnte sich die Europäische Zentralbank dann genötigt sehen, ebenfalls die Geldschleusen zu öffnen. Diese Geldvermehrung wird zu einem Risiko für die Stabilität des Euro werden - ohne, dass man gleich die Gefahr einer "Währungsreform" beschwören muss.

Aber zurück zum Dollar. Er ist schon seit langem kein Fels in der Brandung mehr, sondern hat im Verlauf seiner über 200-jährigen Geschichte sukzessive an Wert verloren. Dies ist nur deshalb nicht so offenbar geworden, weil die Währungen um ihn herum - insbesondere die der (kriegführenden) Europäer - noch stärker aufgeweicht beziehungsweise ganz vernichtet wurden.

Wer weiss schon noch, dass bei der Gründung der Vereinigten Staaten vor über zweihundert Jahren der "United States Dollar" eine Münze mit einem Silbergehalt von 24 Gramm war? Im Zockerparadies Las Vegas kann man sie, mit einigem Glück, heute noch besichtigen. Im Zusammenspiel mit der Goldmark des deutschen Kaiserreichs und dem Goldpfund Grossbritanniens waren diese drei Hauptwährungen mehr als ein Jahrhundert lang stabil. Das änderte sich mit Beginn des 1. Weltkriegs. Die Golddeckung der Währungen in Deutschland und England wurde abgeschafft, denn ohne Einführung von Papiergeld hätte man diesen Krieg gar nicht führen können. Auch in den USA sah sich Präsident Theodore Roosevelt 1933 genötigt, den privaten Goldbesitz zu verbieten und sogar unter Strafe zu stellen. Private Banktresore wurden zwangsweise geöffnet und alles Gold darin konfisziert. (Deshalb liebe Goldbesitzer: vertrauen Sie Ihre Goldmünzen und -barren nicht einem Bankschliessfach an. Gleiches könnte auch hierzulande passieren. Vergraben Sie Ihr Gold lieber im Garten; es rostet ja nicht.)

Im 2. Weltkrieg liessen sich die Amerikaner all ihre Waffenlieferungen in Gold bezahlen und verfügten somit - zusammen mit dem vorher eingezogenen Privatgold - über erhebliche Goldreserven. Das ermöglichte ihnen für den Dollar einen Goldstandard einzuführen. Im sogenannten Abkommen von Bretton-Woods (benannt nach einem Dörfchen mit 600 Einwohnern!) legten sie fest, dass eine Unze Gold (ca. 28 Gramm) exakt 35 Dollar wert sei. Aber die folgenden Kriege gegen Nordkorea, und vorallem gegen Vietnam, liess auch den Golddollar wieder weich werden. Offen zutage trat dies, als die Franzosen 1969 ihre gesamten Dollarnoten bei der US-Notenbank einreichten und dafür Gold ausbezahlt haben wollten. Peinlicherweise konnten die Amerikaner nicht liefern, sie waren praktisch pleite. Präsident Nixon kündigte sein Versprechen, Gold für vorgelegte Dollarnoten auszuliefern, einfach auf.

Heute ist der Dollar lediglich ein Stück Papier, ohne jede Gold- oder Silberdeckung. Auf der US-Dollarnote steht (in feiner Ironie) nur noch der lapidare Satz:


"In God we trust".

1 Kommentar:

  1. Die Schwemme der Dollars wird in absehbarer Zeit den Wert dieser Währung kaputt machen. Jetzt beginnen schon viele wichtige Länder in Vorderasien ihre Depots mit Euros zu füllen. Vielleicht drängen wir uns bald nach chinesischen Yuans.

    AntwortenLöschen

Impressum

Angaben gemäß § 5 TMG:

Dr. Willy Marth
Im Eichbäumle 19
76139 Karlsruhe

Telefon: +49 (0) 721 683234

E-Mail: willy.marth -at- t-online.de